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Wird es China verboten in der EU zu investieren?

Foto: Unsplash.com/ Eric Prouzet

Im Schatten der Brexit-Verhandlungen hat das Europäische Parlament im Februar 2019 eine Entscheidung getroffen, die die zukünftige Investitionspolitik der EU regeln soll. Besonders markant ist dabei das System zur Überwachung ausländischer Direktinvestitionen. Wie den Ankündigungen zu entnehmen war, sollen vor allem Investitionen chinesischer Unternehmen reglementiert werden. Der Beschluss ist sowohl wegen der dadurch bewirkten Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, die auch gegenüber Drittstaaten gilt, als auch wegen der offenkundig gewollten Ungleichbehandlung von Drittstaaten bedenklich und mit dem Risiko der Anfechtung beim EuGH behaftet. 

Die Diskussion über die neue Investitionspolitik der EU begann Anfang 2017. Damals forderte der Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, Daniel Caspary, die Europäische Kommission auf, Vorschläge zu machen, wie die europäische Industrie besser vor möglichen unfairen Übernahmen durch chinesische Investoren geschützt werden kann. Bis dahin hat man sich in der EU an den stetig steigenden Investitionen chinesischer Unternehmen nicht gestört. Im Gegenteil, die EU verfügte bis jetzt über eines der offensten Regulierungsregimes für ausländische Direktinvestments weltweit.

Chinesische Firmen konnten in Europa, insbesondere in England und Deutschland, kräftig investieren, einige Unternehmen sanieren und damit Arbeitsplätze schaffen. Allein im Jahr 2017 betrugen die chinesischen Investitionen in europäische Unternehmen über EUR 30 Mrd. Unter anderem konnte die staatliche China Ocean Shipping (COSCO) die mehrheitlichen Anteile des griechischen Piräus-Hafens erwerben. Der deutsche Roboterherstellers KUKA, die Firmen Aixtron und OSRAM Licht wurden chinesisch. In Österreich erwarb ein chinesisches Unternehmen den führenden Flugzeugherstellers Diamond Aircraft. 

Offenbar von den USA ausgehend begannen auch europäische Staaten öffentlich Kritik an der steigenden Zahl von Übernahmen europäischer Unternehmen durch ausländische Investoren, insbesondere aus der VR China zu äußern. 

Im September 2017 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag für die nunmehr beschlossene Verordnung zur Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Überprüfung und Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen vor.  Im Februar wurde die Verordnung vom Europäischen Parlament beschlossen. Sie wird 18 Monate nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft treten. 

Die EU begründet ihr Vorgehen damit, dass verhindert werden müsse, dass europäische Unternehmen und deren technologisches Know-how an chinesische Investoren ausverkauft wird. „Europa muss seine strategischen Interessen ständig verteidigen – und genau dabei wird uns dieser neue Rahmen helfen“, erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dazu. Tatsächlich fehlte in der EU bisher ein einheitlicher Überprüfungsmechanismus für ausländische Direktinvestitionen. Die Möglichkeit einer gesetzlichen Überprüfung gab es bislang nur in 14 EU-Mitgliedstaaten (ua in Österreich und Deutschland). Durch das neue EU-System soll eine Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Kommission geschaffen werden, um ausländische Direktinvestitionen zu überprüfen, ob diese die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung der EU-Mitgliedstaaten und deren Projekte oder Programme „von Unionsinteresse“ beeinflussen oder beeinträchtigen könnten.  

Fakt ist aber, dass Direktinvestitionen aus dem Ausland Kapitalbewegungen sind und daher von der Kapitalverkehrsfreiheit umfasst sind, die sowohl zwischen den EU-Mitgliedstaaten als auch in Bezug zu Drittstaaten gilt. Es muss daher geprüft werden, ob die neue Verordnung eine Beschränkung dieser Freiheit darstellt, was unzulässig wäre. Dass die Einschränkungen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wie es in der Begründung der Verordnung heißt, ist fraglich. Erstens legt der EuGH diese Ausnahmebestimmung seit jeher sehr streng aus. Zweitens hat der EuGH die Heranziehung der Ausnahmegründe für wirtschaftliche Zwecke überhaupt ausgeschlossen.

Dazu kommt, dass in der Verordnung enthaltene Begriffe, wie etwa „kritische Infrastruktur“ oder „strategische Technologie“ unpräzise sind und die Gefahr bergen, dass einzelne EU-Mitgliedstaaten die geschaffenen „Freiräume“ missbrauchen könnten. Es ist zu bedenken, dass die Verordnung unter anderem Bereiche wie Energieversorgung, Verkehr und Informationstechnologie umfasst.

Auf der einen Seite wird die Europäische Kommission daher in Zukunft sämtliche ausländische Direktinvestitionen aus Gründen der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung überprüfen dürfen, was die Handlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten einschränkt. Auf der anderen Seite wird in der Verordnung ausdrücklich die Autonomie der einzelnen EU-Staaten festgehalten. Es wird dadurch die Ungleichheit der einzelnen EU-Staaten provoziert.

Es ist zudem nicht zu erwarten, dass autonome Entscheidungen einzelner EU-Staaten in dieser Angelegenheit nachhaltig sind. Es genügt, dass sich ein anderer EU-Staat durch die Investition in seinen oder in EU-Belangen beeinträchtigt fühlt, um sich zur Überprüfung an die Kommission zu wenden. Der EuGH wird zwischen Pest (Gefährdung der Einheit der EU-Staaten) und Cholera (Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit) zu entscheiden haben.

Europa braucht die VR China, ihre Technologie und ihre Wirtschaftsinvestitionen, um im Triangel mit den USA nicht Letzter zu sein. Es braucht die VR China, um wettbewerbsfähig zu bleiben und nicht zuletzt, um Arbeitsplätze zu sichern, die mangels Konkurrenzfähigkeit sonst verloren gehen.

Nunmehr besteht die Gefahr, dass Investitionen aus China sinken könnten, was für die europäische Wirtschaft nachteilig ist. Der in China für die EU verantwortliche Politiker, Zhang Ming, hat im Rahmen eines Interviews bereits durchklingen lassen, dass eine diskriminierende Verordnung die bilaterale Beziehung zwischen China und der EU sicher nicht fördern wird. Dazu kommt, dass die EU, getrieben von ihren eigenen Regelungen, das Wachstum der eigenen, europäischen Unternehmen wiederholt einschränkt. Das aktuelle Beispiel der Absage der Fusion der Bahnsparten von Siemens und Alstom – wohl gemerkt zweier europäischer Unternehmen – durch die Europäische Kommission macht dies deutlich. 

Wie Europa in Zukunft trotz dieser Umstände europäische Global Players aufbauen möchte, bleibt äußerst fraglich. Wenn die EU jetzt dem Druck der USA nachgibt und deren wirtschaftliche und politische Interessen gegen die aufstrebende Konkurrenz durch die VR China unterstützt, wird sie keine Hilfe erwarten dürfen, wenn die US Administration letztlich im Sinn von „America first“ auch rigoros gegen die Europäische Wirtschaft vorgeht.

Autoren:
Prof. Dr. Georg Zanger M.B.L.-HSG
Ing. Johannes Kerbl, LL.M.(WU)